Neulich bei Jovan – zum Stand der Kreativwirtschaft in Berlin-Wedding

Jovan Balov betreibt in der Biesenthaler Straße einen Projektausstellungs-Raum mit dem Schwerpunkt Balkankunst – das www.prima-center.net. In den letzten 6 Jahren hat er hier 100 Ausstellungen realisiert und über 250 KünstlerInnen aus der ganzen Welt vorgestellt. Ich habe bei ihm namhafte Kuratoren kennen gelernt und miterlebt, wie auch Botschafter zuweilen in die Galerie kommen, um die eine oder andere Ausstellung zu würdigen.

Jovan BalovJovan sagt, es ist Zeit, dass die zeitgenössische Kunstszene des Wedding nach außen in angemessenem Rahmen dargestellt wird – mit professioneller Koordination. Während sich zahlreiche Kulturmanager verschiedener Art darüber streiten, wer hier überhaupt die Deutungshoheit über lokale Kunst und Kultur besitzt, fehlt im Grunde die fachliche Diskussion, welche Qualität hier produzierte Kunst eigentlich hat. So ist die aktuelle Studie zum „Kreativraum Wedding“ eine Definition schuldig geblieben, welche kreativen Produkte genau dieser Kreativraum eigentlich produziert, vgl. www.christiania.de .

Unter http://kulturmittenord.wordpress.com wird dieses Stadtgebiet selbstverständlich als Kulturraum beschrieben und nimmt dabei Bezug auf alte UND neue Kulturträger. Gleichzeitig werden Kunst und Kultur ganz verschiedener Art auch im Rahmen von Quartiersmanagement unterstützt. Unterschiedlichste Akteure versuchen die Kunst- und Kulturschaffenden zu unterstützen.

Jovan sagt, dass zeitgenössische Kunst nicht nur bildende sondern aktuell vor allem auch Medienkunst und Literatur beinhaltet. Es gibt mittlerweile jede Menge Kult-Filme auf www.youtube.com. Welches Kunst-/ Kulturbild haben wohl die Mitglieder der Bezirksverwaltung, die Studien und Projekte für die Kreativwirtschaft in Auftrag geben? Ob die schon mal zu einer Party im Stattbad Wedding waren oder wenigsten ein Video wie http://vimeo.com/4828666 mal angesehen haben?

Wenn ich auf wikipedia die Definition zu Kultur-/ Kreativwirtschaft nachlese, bin ich wieder verblüfft, wie viel Kunst und Kreativwirtschaft heute mit Social Media zu tun hat. „Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist Teil einer wissens- und contentorientierten Gesellschaft und übernimmt eine Vorreiterrolle auf dem Weg in eine wissensbasierte Ökonomie in Deutschland“, sieh an.

Schinkelkirche St. PaulJovan erzählt mir schon lange, dass die Bewertung von Ausstellungen, von Galerien und von Künstlern heute mit Rating-Systemen wie z. B. auf www.artfacts.net erfolgt. Aber ich war bisher der Ansicht, dass dort nur eine Internet-affine Elite vertreten ist. Man kann sich also in so einem Portal tatsächlich informieren, welche Bedeutung die eine oder andere lokale Galerie auf internationaler Ebene hat. Und man wundert sich. Rund 200 Künstler aus unserer unmittelbaren Nachbarschaft stehen bei www.artfacts.net unter den ersten 10.000 der Welt – und diese Zählung beinhaltet auch längst Verstorbene wie Vincent van Gogh (Rang 65) und Carl Spitzweg (Rang 9004). Karl Friedrich Schinkel der uns im Wedding zwei sehr schöne „Vorstadt“-Kirchen gebaut hat, steht aktuell bei 8062. Jovan Balov steht bei 4723.

Was hat es nun mit diesen Rating-/ Bewertungssystemen auf sich? Ist das eine Insidergeschichte? Nein. Die Bewertungen der weltweite Fachöffentlichkeit dürfen wir ernst nehmen, vielleicht manchmal ernster als unser eigenes Bauchgefühl und Kunstverständnis. Die Fachöffentlichkeit IST in diesen Bewertungsportalen aktiv, wir sollten öfter mal nachsehen.

Und wir sollten darüber nachdenken, wie wir dieser internationalen Anerkennung für lokale Künstler auch hier vor Ort einen Raum geben, der die Bedeutung von „Kunst aus Wedding“ angemessen zeigt. Und wir sollten das professionell machen.

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